Was für ein Roadtrip! Hier fasse ich zusammen, was es gebracht hat, meine Angst zu überwinden und welche meine wichtigsten Erfahrungen waren. Natürlich rechne ich auch ein wenig, ob sich die GravityCard gelohnt hat. Auch meine Erfahrungen mit Material und Bremsen kommen nicht zu kurz. Das Wichtigste sind aber meine Erfahrungen mit dem Mindset und mein bester Fahrtechnik-Tipp des Sabbaticals.
Die Blog-Serie zum Bike-Sabbatical 2023:
- Bike-Sabbatical 1/8: Vom Krankenhaus in den Bikepark
- Bike-Sabbatical 2/8: Nur nicht aufgeben!
- Bike-Sabbatical 3/8: Verliebt in die Reiteralm-Tails
- Bike-Sabbatical 4/8: Große Sprünge in Schladming
- Bike-Sabbatical 5/8: Leogangs Singletrails
- Bike-Sabbatical 6/8: Endlich in Nauders
- Bike-Sabbatical 7/8: Tschoy Ride im Brandnertal
- Bike-Sabbatical 8/8: Konfrontations-Therapie Deluxe
Die besten Parks für Singletrail-Liebhaber
Am besten, ich fange mit dem Offensichtlichsten an. Sicher werden einge Leser wissen wollen, welches aus meiner Sicht die besten Parks meiner Reise waren. Im Grund kann man das ganz einfach an der Häufigkeit meiner Besuchstage ablesen 🙂
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Mit Abstand am besten waren für mich die 3-Länder Enduro Trails in Nauders & am Reschensee, der Bikepark Kronplatz sowie die Reiteralm-Trails. Dabei verweise ich aber auch gleich auf meine Vorlieben für handtuchbreite, technische Singletrails. Die in die Falllinie verlegten Dirtparks der meisten Bikeparks sind zwar sehr “Insta-tauglich”, aber nicht wirklich meine Welt. Details dazu berichte ich vor allem im Post zu Schladming. Besonders am Reschensee kann man auch sehr gut & direkt an der Schöneben-Bahn mit dem Camper/Dachzelt stehen. Zumindest, wenn man keinen Luxus erwartet.
Auch einen Abstecher wert sind die Trails im Brandnertal (da reicht aber ein Tag aus) sowie das wunderschöne Trailcenter lake.bike am Faaker und Ossiacher See. Bei letzterem nutzt einem aber die GravityCard nichts, sondern nur die eigene Muskelkraft.
Nicht besucht hatte ich während meines Sabbaticals u.a. Saalbach-Hinterglemm, die Bikerepublic Sölden, Livigno / Mottolino sowie Paganella. Das lag vor allem daran, dass ich in den Jahren davor alle diese Regionen bereits besucht hatte (Saalbach sogar mehrfach). Und ich wollte natürlich auch viel Neues kennenlernen.
Lohnt sich die GravityCard?
Natürlich ist es auch spannend zu schauen, ob sich die GravityCard überhaupt gelohnt hat! Um es kurz zu machen: ja, das hat sie. Mit 17 Bikepark-Tagen in 4 Wochen (plus weiteren 3 Tagen Biken ohne Park) hatte ich den Kaufpreis defintiv wieder reingeholt. Wenn man die Einzeltickets zwischen 40€ & 50€ pro Tag ansetzt, ergeben sich Kosten irgendwo zwischen 680€ (17 x 40€) und 850€ (17 x 50€).
Der Hauptvorteil: Man denkt ganz einfach überhaupt nicht darüber nach, ob an diesem oder jenen Tag die Bergbahn nun noch nutzen sollte oder nicht. Auch, wenn es nur ein halber Tag ist. Vor allem bei der Flucht vor Schlechtwetter oder auf der Durchreise kam es oft vor, dass es zeitlich gerade noch für einen halben Tag im jeweiligen Park gereicht hat. Kauft man sich ohne GravityCard dann noch die oft nötige Tageskarte?
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Würde ich mir die GravityCard nochmals kaufen? Vielleicht. Andererseits ist der Unterschied zum Einzelkauf gar nicht mal so groß wie gedacht. Klar kann man die Karte auch außerhalb eines Sabbaticals nutzen! Und man kann auch ein deutlich längeres Sabbatical planen. Aber ich muss sagen, dass ich nach den 4 Wochen tatsächlich so “satt” war, dass ich keinerlei weitere Trails mehr hätte verarbeiten können. Mehr Zeit heißt also nicht unbedingt, dass man auch mehr fährt! Eine wirklich interessante Erkenntnis.
Vielleicht ist das Erlebnis Alpen-Bikeparks auch eher etwas, das man in verdauliche Häppchen z.B. auf einzelne Wochen im Jahr aufteilen sollte. So wie ich das in den Vorjahren immer gehandhabt hatte.
Zusätzlich ist man mit der GravityCard auf genau die Parks und Gegenden festgelegt, die dieses Ticket eben auch untersützen. Gerade als Singletrail-Liebhaber ist das aber oft nicht die Region, wo es die meisten Trails dieser Kategorie gibt. Eine Ausnahme hier ist sicherlich Nauders. Aber die meisten Singletrail-Arenen sind gar keine GravityCard-Partner (wie bspw. Vinschgau mit Latsch und Co oder Val di Fassa/Canazei). Und auch einige Bikeparks sind nicht dabei: Allen voran die große schweizerisch-französische Bikepark-Region Portes du Soleil mit Chatel, Les Gets und Morzine.
Knallharter Material-Test
Das Bike-Sabbatical erwies sich als ein harter Test für meine Austattung. So etwas hatte ich natürlich auch vorher schon geahnt. Aber wie schonungslos hier jedes Teil einem Härtetest unterzogen wurde, war dann doch erstaunlich.
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Vor allem aber hätte ich nie gedacht, wieviel die passende Einstellung des Cockpits ausmachen kann. Ich bin absolut sicher, dass ich dem Thema von jetzt an deutlich mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen werde. Sei es beim Mountainbike-Coaching, bei Runden mit meiner Familie oder auch natürlich bei mir selber.
Die nächste schonungslose Erkenntnis war, vor jeder Änderung von Komponenten am Bike immer auch genau zu überprüfen, ob sich dadurch die Geometrie des Bikes ändert. Ich war völlig geschockt, was 10mm mehr Federweg ausmachen können. Auf negative Art! Mehr ist hier also definitiv auch nicht immer besser. Evtl. werde ich sogar meine Gabel wieder auf 160mm rückbauen. Dass diese Änderung wahrscheinlich wesentlich zu meinem Sturz beigetragen hat, muss ich immer noch verdauen.
Selbstsicherer mit standfesten Bremsen
Vor allem aber das Thema passende Bremseanlage rückte nochmal deutlich höher in meiner Prioritätsliste. Sobald das fahrfertige Gewicht ohne Bike die 90kg-Marke knackt oder sogar deutlich übersteigt, sollte man defintiv über die eigenen Bremsen nachdenken.
Zumindest wenn man öfter oder mehrere Wochen durch Alpen-Bikeparks fährt (siehe auch dieser passende Test)! Die meisten Standard-Bremsen sind dann wahrscheinlich überfordert. Eine 200-400 Tiefenmeter Abfahrt im Mittelgebirge ist eine völlig (!) andere Sache als 1400 Tiefenmeter z.B. am Kronplatz.
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Egal für welches Modell man sich entscheidet, eine hohe Standfestigkeit für lange Abfahrten sollte ganz oben auf der Prioritätsliste stehen. Meiner Erfahrung nach gibt es fast nichts am Bike, was schneller das Selbstvertrauen steigert oder eben schwinden lässt!. Mit meinem Upgrade habe ich nun jederzeit das Gefühl, zu 150% sicher zum Stehen kommen zu können.
Das führt übrigens auch dazu, dass man deutlich schneller wird beim Fahren. Denn man kann ja nun deutlich später bremsen und es länger laufen lassen. Mit meiner SRAM Code RSC war ich immer am Schleifpunkt unterwegs mit einer gehörigen Portion Zweifel, ob ich denn auch wirklich sicher zum stehen komme. Und während meines Sabbaticals haben mir das einige Biker & Mechaniker auch genauso aus ihren Erfahrungen gespiegelt.
Viele Wiederholungen auf leichteren Trails
Die größten Aha-Momente hatte ich in diesem Sommer allerdings bzgl. meiner mentalen Stärke (oder Schwäche). Rückblickend ist mir erstmal bewusst geworden, wie lange ich den Start meiner Reise hinausgezögert hatte. Um so glücklicher und auch ein wenig stolz bin ich aber, es dann schlußendlich doch gewagt zu haben. Insgesamt war es aber definitiv ein Prozess (wie praktisch alles im Leben). Man kämpft sich Schritt für Schritt zurück ins Biker-Leben.
Die wichtigsten Tipps sind meiner Erfahrung dabei Geduld mit sich selber (!!!) sowie die Trailauswahl gewesen. Bei letzterer sollte man darauf achten, deutlich (nochmal 3 Ausrufezeichen mehr !!!) leichtere Trails als normaler Weise gewohnt zu suchen. Und diese mit so vielen Wiederholungen wie möglich so lange zu fahren, bis die Selbstsicherheit sowie das Gefühl im Bike sich langsam wieder einstellen.
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Ich habe jedenfalls deutlich mehr und länger gebraucht, als ich dachte. Den naiven Glauben, “ach das wird schon schnell wieder gehen” habe ich mir gründlich austreiben lassen müssen… Auf der anderen Seite ist es unglaublich wichtig, wieder aufs Bike zu steigen! Insgesamt war dann auch diese “Konfrontations-Therapie Deluxe” das beste, was ich machen konnte (das Wort stammt von meinem BICP Trainer Bernard “Berni” Havelka).
Nicht zuletzt ist für den Kopf auch die Wahl eurer Mitfahrer und Bike-Gruppen ganz entscheidend! Hier solltet ihr Euch auf verständnisvolle und entspannte Menschen konzentrieren und auf keinen Fall zu viel Druck aufbauen lassen. Wenn dann noch die Vorlieben für die jeweilige Art von Trails möglichst deckungsgleich sind, erspart Euch das eine Menge unnötigen Stress und vermeidbares Risiko. Ich bin immer noch sehr dankbar für die vielen Bekanntschaften und Freunde, die mich auf meinem Bike-Sabbatical begleitet haben und auch dafür gesorgt haben, dass ich den Kopf nicht hängen lasse!
Der beste Fahrtechnik-Tipp
Während meiner Zertifizierung zum MTB-Fahrtechnikcoach nach BICP war es immer mal wieder Thema gewesen. Um Plateaus zu überwinden und sich wirklich mit der eigenen Fahrtechnik weiterzuentwickeln, sollte man öfter einen Schritt zurück gehen. Also regress to progress.
Während meines Sabbaticals musste ich mir eingestehen, dass ich es nicht bei mir selber angewandt hatte! Man ist einfach viel zu gerne mit all den fortgeschrittenen Techniken beschäftigt, als dass man nochmal einen Schritt zurückgehen möchte. Doch genau dort liegt der größte Hebel!
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Erst, als ich durch meinen Sturz gezwungen war, viele Schritte zurück zu machen, wurde mir bewusst, wo eigentlich meine Schwächen in den Basics noch lauern. Man ist sehr gut darin, alles mögliche geschickt zu kompensieren. Doch erst wenn man wirklich mal zurückgeworfen wird ohne die gewohnte Fitness, ohne das gewohnte Selbstvertrauen… Dann bekommt man ungeschminkt gespiegelt, wo noch Baustellen in der eigenen Fahrtechnik liegen.
Aber braucht es dazu solch einen Sturz? Mir hat das defintiv geholfen, denn scheinbar war das Ego doch erstaunlich groß. Zu groß, um hin und wieder mal ehrlich auf die Basics zu schauen. Doch natürlich kann man das auch ohne einen Sturz erreichen! Genau das werde in Zukunft auch in meine Fahrtechnik-Coachings einfließen lassen.
Am Ende bin ich sehr dankbar, diese Erfahrung gemacht zu haben. Und es ist doch so, wie ich im ersten Post dieser Serie schon angedeuted hatte: Solche Erfahrungen helfen einem, wichtige Entwicklungsschritte zu gehen. Beim Mountaikbiken wie auch im Rest des Lebens.